Zur Wappenkunde


Am Wappen des Rabengeschlechts waren im Verlauf von Jahrhunderten Manche Veränderungen vorgenommen worden. 

Ganz am Anfang, als die Hemhrabans noch am Südrand des dunklen Kohlenwaldes an der Schelde wohnten, führten sie einen Raben im Schilde. Er galt ihnen, den Franken überhaupt, als heiliger Vogel. Dem germanischen Hauptgott Wotan, auch Odin genannt, brachten zwei Raben, Hugin und Munin, was Gedanke und Gedächtnis bedeutet, Kunde von den Geschehnissen außerhalb seiner mythologischen Welt. 

Ungeachtet aller heidnischen Merkmale behielten die Hemhrabans auch nach ihrer Christianisierung den Raben als Sippenzeichen bei. Sie malten ihn auf die Schilde, mit denen sie ihren Leib schützten. Wenn sie in den Kampf zogen. Das war im 5. Jahrhundert. 

Später wurde der schwarze Vogel auf einen gewinkelten, groben Ast gesetzt. Gegen Ende des 9. Jahrhunderts bekam dieser symbolische Rabe in seinen Schnabel einen goldenen Ring. Damit wurde der Treue und der Verdienste, auf die sich Angehörige des Rabengeschlechtes berufen konnten, herrscherlicher Ausdruck gegeben. 

Aber das Familienwappen, wie es sich heute darbietet, ist das Ergebnis weiterer Verzweigungen und neuerlicher Verwurzelungen, die erst im 13. Jahrhundert ihre Ausprägung erhielten. Die „Chronik einer europäischen Sippe“ wird sich damit befassen. 

Zum Wappen des Rabengeschlechts

Zuerst war nur der Rabe. Jene Vorfahren, die auf die linke Seite des Niederrheins gezogen waren Und sich im ehemaligen Kohlenwald an der Schelde ein neues Siedlungsgebiet schufen hatten sich den heiligen Vogel ihres germanischen Hauptgottes Odin zum Familienwappen erkoren. Dementsprechend nannten sie sich die Hemhrabans – Die Sippe aus dem „Haus der Raben“. Auch als sie ihrem alten Glauben abgeschworen hatten und Christen geworden waren, behielten sie das von der Kirche verteufelte heidnische Symbol bei.

Und immer wenn die Hemhrabans im Gefolge de Merowingerkönige in den Krieg zogen, trugen sie auf ihren Lederbespannten Holzschilden den aufgemalten Kolkraben als Sippenzeichen. Manchmal erschien er auch auf dem Panier, wie die mittelalterliche Darstellung eines Kampfgetümmels aus dem 5. Jahrhundert zeigt. Nähere Angaben über den Ort des Schlachtfeldes fehlen. Aber da ist im aufragenden Banner deutlich sichtbar das Symbol der Hemhrabans : der Rabe. Wo und wann genau sich das auch immer abgespielt haben mag – Angehörige vom neustrischen Ast des Rabengeschlechtes waren wohl daran beteiligt. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich bei dem Bannerträger um einen Angehörigen des Rabengeschlechts gehandelt hat. Wahrscheinlich ist auch, dass der Rabe als Schnitzwerk über der Tür des Hauses angebracht war. Nach allen Überlieferungen hielt Anastasius Hemhraban den Wappenvogel seiner Sippe auch bei sich zu Hause in einem Käfig. Als Anastasius´ Jüngster einmal den Käfig öffnete, wurde er kräftig in den Finger gebissen.

Lange bevor der Schutzschild vor Hieb und Stich zum Wappenschild der Heraldik wurde, hatten die Hemhrabans ihr Sippenzeichen auf einen gewinkelten Ast gesetzt. Der Anlass dafür dürfte wohl darin zu suchen sein, dass sich das Rabengeschlecht zu verzweigen begann. Überliefert ist die Geschichte des ostfränkischen Königs Arnulf von Kärnten, der 893 beim Rückweg aus Mähren in einen Hinterhalt geriet. Sein gleichnamiger Neffe rettete ihm das Leben und erhielt für diesen Beweis der Treue einen goldenen Ring.

Schon an dieser Begebenheit werden die Verzweigungen deutlich : König Arnulf gehörte zu den ostfränkischen Karolingern, sein Neffe, Graf Arnulf, kam aus der Familie der Konradiner. Für die weitere Entwicklung des Rabenwappens ist dies von großer Bedeutung. Nicht nur weil die Konradiner diesen Ring symbolisch ihrem Wappenvogel in den Schnabel legten. Die Konradiner vom neustrischen Ast der Hemhrabans sind nämlich in direkter Linie die Ahnherren der Hawrankes/Hawraneks. Deren Wappen hat mithin Tradition.

Sie wurde noch bekräftigt, nachdem der Konradiner Graf Arnulf von Hückeswagen als unmittelbarer Reichsgraf in Mähren eine wandalische Fürstentochter geheiratet hatte. Ihr Sippenzeichen war die stilisierte Sichel des abnehmenden Mondes, und zum Beweis seiner Verbindung fügte Reichsgraf Arnulf sie dem Familienwappen bei. Zunächst saß der Rabe also auf einem Aststumpf, ein goldener Ring umkreiste seinen Schnabel uns über ihm schwebte die wandalische Mondsichel. Dabei blieb es auch; für lange Zeit.

Zwei gewichtige Umstände führten schließlich im 13. Jahrhundert zu einer Erneuerung. Erstens hatte sich der mährische Ast des Rabengeschlechts nach Polen, Schlesien und Ungarn verzweigt, und zweitens begannen die Heraldiker feste Regeln der Wappenkunde aufzustellen. Es kam zur Herausbildung von Schild und Helm, Helmzier und Kleinod, Helmdecke und Wappenfeldern. Zusätzlich brachten die Heraldiker noch zehn verschiedene Farben in die Sache. Die Raben hielten sich mit Ausschmückungen zurück.

Mitte Mai 1211 war Herzog Mieszko von Oppeln, Ratibor und Teschen gestorben. Zwischen ihm und Angehörigen des Rabengeschlechts hatten bis zuletzt enge freundschaftliche und verwandtschaftliche Beziehungen bestanden. So wurde das Begräbnis fast zu einem Familientreffen. Dabei kam es auch zu einem Meinungsaustausch über die künftige Gestaltung des Wappens. Einig war man sich darin, dass der Rabe das beherrschende Symbol bleiben müsse. Ein Jahr später wurde in Prag noch einmal darüber gesprochen.

In der Zeit danach hat das Familienwappen dann jene uns überlieferte Form gefunden. Der gewinkelte Aststumpf wurde durch einen querliegenden Baumstamm ersetzt. Er symbolisiert die Sippe aus dem „Haus der Raben“. Die vier Astknorren weisen auf die Verzweigungen nach Mähren, Polen, Schlesien und Ungarn hin. Dem unten abgerundeten und schräg gestellten Schild wurden rechts und links eine geschwungene Helmdecke und oberhalb Helm, Helmzier und als Kleinod ein zweiter Rabe hinzugefügt.

Was dem Betrachter als links und rechts erscheint, das sieht der Heraldiker genau umgekehrt. Der Rabe im Schild blickt also nach links. Das widerspricht zwar den Regeln, ist aber ein Beweis dafür, dass diese Anordnung lange vor dem Aufkommen der Heraldik getroffen und beibehalten wurde; ein Beweis für das Alter dieses Familienwappens. Erst bei der späteren Ausschmückung mit Helm, Helmzier und Kleinod wurde der zweite Rabe oben – heraldisch korrekt nach rechts blickend – beigegeben.

In dieser Gestaltung ist das Rabenwappen einmalig. Sein Schildgrund wurde in Silber, der Baumstamm, die Mondsichel und der Ring sowie Helm und Helmzier wurden in Gold gehalten. Die geschwungenen Helmdecken links und rechts sind schwarz-silbern, die beiden Raben natürlich schwarz. Einige Zweiglinien nahmen am Wappen und seinen Farben gewisse Veränderungen vor, indem sie bei Einheirat Bestandteile des Familienwappens der Gemahlin übernahmen. Am ausgeprägtesten geschah dies am ungarischen Ast. 

Von bisher gesichteten 7272 Wappen des ungarischen Adels führten 21 den Raben im Schilde. Dazu gehörten der Reichsverweser Johann Hunyady und sein Sohn, König Mathias Corvinus (lateinisch : der kleine Rabe = Hawranek).
Am Parlamentsgebäude in Budapest ist unter den über dem Hauptportal angebrachten steinernen Wappen deutlich der Rabe auf einem mehrfach verzweigten Ast sitzend zu sehen. Und überall dort, wo solche Wappen gesichtet wurden, konnte die Zugehörigkeit ihrer Besitzer zum Rabengeschlecht nachgewiesen werden.
Die Vielfalt dieser Chronik ist zugleich Wappengeschichte.