Unser Wappentier in der Vogelkunde


Corvus corax ist der wissenschaftliche Name für den Kolkraben. Er wir bis zu 70 Zentimeter lang und bringt es gut und gern auf ein Gewicht von 1250 Gramm. Seiner Größe wegen nennen ihn die Franzosen Grand Corbeau. Die Engländer sagen nur Raven, wenn sie den Kolkraben meinen, der in seinem Wesen ein halber Raubvogel ist. Wenn er in der Luft segelt und ausdauernd kreist, Schleifen fliegt und Rollen schlägt, vermag kein anderer Vogel ihm etwas anzuhaben – im Gegenteil : Es macht ihm sogar Spaß, den Steinadler oder andere große Greifvögel durch gezielte Sturzflüge zu ärgern. 

Ein Spürsinn ohnegleichen lässt ihn die verborgenste Tierleiche finden. Er frisst so ziemlich alles, was ihm vor den gebogenen Schnabel kommt : Insekten, Mäuse, Maulwürfe, Hasen, Vögel, aber auch Früchte, Gemüse und Getreidekörner und Möveneier. Er plündert auch Adlergelege, wenn die Altvögel gerade nicht in der Nähe sind.

Sein Gefieder ist rein schwarz mit stahlblauem, auf den Flügeln grünlichem Metallglanz, seine Stimme ein tiefes, rauhes „krak“ oder „krok“. Er nistet an den einsamsten Orten, entweder auf sehr hohen Bäumen dichter Waldungen oder auf Felsenspitzen, und er lebt paarweise in Dauerehe. Das Weibchen legt vier bis sechs Eier und brütet sie drei Wochen. Dabei wird es liebevoll vom Gatten gefüttert, wenn nicht sogar das Männchen selbst für einige Zeit das Brüten übernimmt. Die geschlüpften Jungen werden in einer Weise umhegt und gepflegt, dass die abfälligen Redensarten vom „Rabenvater“ und von den „Rabeneltern“ völlig aus der Luft gegriffen sind – sie gehören ins Reich der Sagen und Märchen.

Unser Wappentier in der Sagenkunde

Das Märchen vom „Rabenvater“ und von den „Rabeneltern“ hat der Regensburger Domherr Konrad von Megenberg in die Welt gesetzt. 

In seinem 1350 erschienenem „Buch der Natur“ behauptet er, die Raben würfen ihre Jungen aus dem Nest, wenn sie ihrer überdrüssig wären. Wir wissen heute, dass dies nicht stimmt. Vermutlich hat der Domherr biblische Texte zu einseitig ausgelegt. Hiob macht da in Kapitel 38, Vers 41, die Bemerkung, Raben würden ihre Jungen „aus Mangel an Speise umherirren“ lassen, und Moses zählte sie im Levitikus und im Deuteronomium, seinem 3. und 5. Buch, zu den „unreinen“ Tieren. Aber in seinem 1. Buch, der Genesis, macht Noah nach 40 Tagen die Luke der Arche auf „und ließ den Raben ausfliegen; der flog hin und her, bis die Wasser auf Erden vertrocknet waren“.

Und später, als der Prophet Elias auf der Flucht war und sich am Bach Krith verbarg, da brachten ihm Raben „Brot am Morgen und Fleisch am Abend“. Der HERR wusste schon, warum er gerade ihnen gebot, Elias zu speisen : Es gab und gibt keinen intelligenteren Vogel als den Kolkraben. 

Er galt den Germanen und Indianers als heilig. Er wurde von den Mayas verehrt, weil er den Mais entdeckt haben soll. Nach der chinesischen Mythologie haust ein dreifüßiger Rabe in der Sonne. Auch im persischen und griechischen Kult war er Begleiter der Götter des Lichtes. Göttliche Raben sollen die Wanderzüge der Kelten unter Bellovesus und Segovesus geführt haben. Die im 9. Jahrhundert über unbekannte Meere segelnden Wikinger hatten sie mit an Bord, damit sie ihnen im Toben der Elemente Land anzeigten – wie dem biblischen Noah.